Syd Barrett (1946–2006): Unter dem Namen Grimble Gromble (2024)

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In diesem Jahr wäre er 75 Jahre alt geworden und hat gleichzeitig seinen 15. Todestag – der legendenumrankte Syd Barrett aus der psychedelischen Anfangsphase von Pink Floyd.

Syd Barrett (1946–2006): Unter dem Namen Grimble Gromble (3)

Syd Barrett im Jahr 1967 in London. Foto: picture alliance/DALLE APRF

Ein großer, schlanker junger Mann Anfang zwanzig, hübsches Gesicht mit einem Blick voller Geheimnisse, wilder Lockenkopf, stets ausgefallen gekleidet, immer spontan und kreativ, charmant zu Frauen, ständig mit neuen Ideen beschäftigt. So saß dieser Student in der Mittagspause auf der Fensterbank, dort, wo die Sonne hereinscheint, und spielte Gitarre, sang eigene Lieder. Schon nach wenigen Minuten sammelten sich die Mitstudentinnen um ihn. Syd Barrett – jener später psychotische Musiker, der es gerade einmal drei Jahre bei einer der innovativsten Rockbands des zwanzigsten Jahrhunderts aushielt und den doch die ganze Welt der Rockmusik kennt.

Geboren im Januar 1946 im englischen Cambridge, war er der Spross eines Dr. Barrett, Anatom an der dortigen Universität, und dessen Frau Winifred. Die Familie war wirtschaftlich gut situiert und gleichzeitig tolerant und offen, auch für die Flausen der damaligen Jugend. Ihr Sohn: immer mittendrin. Er fiel überall auf und mischte beinahe überall mit – sofern er Lust dazu hatte und anderes nicht noch spannender erschien.

Künstlerisches Talent

Cambridge ist gewissermaßen die Geburtsstadt von Pink Floyd, denn von hier stammen neben Roger „Syd“ Barrett auch Roger Waters und David Gilmour. Barrett war ein kreativer und unruhiger Geist. Er war musisch sehr begabt, konnte künstlerisch handwerkern und auch malen und eignete sich mehrere Musikinstrumente an. Schließlich schrieb er Songtexte und komponierte die dazugehörige Musik.

Weder Barrett noch Gilmour haben anfangs zur Band gehört. Barrett studierte zwar bereits in London Kunst und kannte Waters gut (der inzwischen dort Architektur studierte), aber zur Band gehörte er zunächst nicht. Es war Waters, der Nick Mason (Drums) und Richard Wright (Keyboards) – ebenfalls Architekturstudenten – davon überzeugte, so einen wie Barrett unbedingt zu brauchen. Mit seinem Einfallsreichtum und seinem Mut, Konventionen schlichtweg zu ignorieren, schien er Waters auf jeden Fall ein Gewinn. Und so kam es dann auch – Barrett stieg ein. Bei einer der ersten Proben erfand er zunächst einen neuen Namen, nämlich The Pink Floyd Sound – nichts weniger als ein ganz eigener Sound sollte es werden. Das war 1965.

Barrett wurde sofort zum kreativen Kopf der vier. Er schrieb Stücke, die sie live in Clubs spielten und dabei regelmäßig neu erfanden. Auch das erste Demo-Band der Gruppe bestand aus seinen Songs. Als der Vertrag mit EMI zustande gekommen war, komponierte Barrett die erste Single: „Arnold Layne“ – Arnold stielt Frauenkleidung von Wäscheleinen und trägt sie selbst. Auch die zweite Single „See Emily Play“ stammte von Barrett, ebenso auf beiden Singles die B-Seiten.

Experimentierfreude

Die Gruppe sollte aber auch zügig eine LP aufnehmen. Barrett lief zur Höchstform auf. Er war einer mit immer neuen Ideen, erst recht aufgrund der technischen Möglichkeiten in so einem Studio. Es wurde ständig experimentiert – am Ende waren es fast sechzig Sessions im Studio Nummer 3. Angeblich haben die Beatles für Sergeant Pepper zeitgleich im Studio 2 zwar auch ein halbes Jahr, aber lediglich zwölf Aufnahmestunden gebraucht.

Ende Juli 1967 wurden die Aufnahmen beendet. Acht der zehn Songs stammten von Barrett. Das erste Album von Pink Floyd (längst ohne „Sound“ im Namen) war geboren: „The Piper At The Gates Of Dawn“ (etwa „Der Pfeifer vor den Toren der Dämmerung“). Nicht immer war den drei anderen und erst recht nicht den Tontechnikern klar, wovon Barrett da sprach, und doch mussten sie einräumen, dass die Stücke gewannen, je mehr technische Details hinzukamen. Barrett, der die meiste Zeit bekifft war oder LSD eingenommen hatte, lebte in einer beinahe kindlichen Fantasiewelt. Er machte Anleihen bei Märchen und Mythen. Er konnte sich mit Hunden, Katzen und Mäusen identifizieren, aber auch mit Einhörnern, Vogelscheuchen und Stutenkerlen. Manchmal war ihm der Klang der Wörter wichtiger als ihr Inhalt und auf Musikinstrumenten ließen sich weit mehr Geräusche erzeugen als die, die Instrumentenbauer vorgesehen hatten. Für die Techniker im Studio war das immer wieder eine echte Herausforderung.

Barrett hat oft so schlichte, aber wunderbare Zeilen geschrieben wie diese:

„A gnome named Grimble Gromble

And little gnomes stay in their homes

Eating, sleeping, drinking their wine“

Rein poetisch betrachtet, dürfte aber „Bike“ von allen Barrett-Songs den größten Charme haben. Es handelt sich um ein Liebeslied, in dem der Erzähler seiner Angebeteten auf fünf Weisen zu imponieren versucht: mit der Möglichkeit, ihr ein (wenngleich geliehenes) Fahrrad zu schenken, ihr zuliebe einen besonderen Umhang zu tragen oder auch ihr zwei von seinen Stutenkerlen abzugeben. Der Verliebte stellt aber auch seine innige Freundschaft mit einer Maus heraus:

„I know a mouse and he hasn’t got a house

I don’t know why I call him Gerald

He’s getting rather old but he’s a good mouse“

Dann wird der Erzähler übermütig, verweist auf einen Raum mit jeder Menge Uhren und ihrem Geläut. Nicht dorthin allerdings führt er die Geliebte, sondern in den Nebenraum, von dem aus er Herr der Uhren wird und sie nun wild durcheinander schlagen lässt. Die Geräusche von Räderwerken werden zur Musik, es knarrt und scheppert und schlägt.

Das erste Album von Pink Floyd war durch und durch ein Album von Barrett. Aber sein unstetes Treiben – wie ein Schmetterling, hat Waters einmal gesagt – machte ihn immer unberechenbarer. Zwar war er bei verschiedenen Sessions noch dabei, doch steuerte er nur noch einen Titel zum zweiten Album bei: „Jugband Blues“, bei dem der Text schon deutlich zeigte, dass Barretts Zeit mit den anderen sich einem Ende näherte.

Die anderen ärgerten sich zunehmends über ihn, denn seine Unzuverlässigkeit stresste sie, führte zu Konzertabbrüchen und seine Unberechenbarkeit gefährdete letztlich den Erfolg der ganzen Band, die auf dem Weg nach oben war. Sie waren froh, als ihr gemeinsamer Freund David Gilmour einsprang und sie zunächst zu fünft spielten.

Bruch mit der Band

Schließlich brach bei Barrett auf, was heute wohl eine drogeninduzierte Psychose genannt wird. Eine Therapie lehnte er ab. Der hinzugezogene Psychiater Ronald D. Laing wies die Bandmitglieder darauf hin, dass Barrett womöglich ihre Gier nach Erfolg unterliefe, weil ihm diese fremd sei.

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Pink Floyd 1960: von links oben nach rechts unten: Roger Waters, Syd Barrett, Nick Mason, Richard Wright. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

Am Ende kam Barrett in die Psychiatrie – es bedeutete das Ende seiner Karriere als Rockmusiker. Jahrelang sahen die Freunde Barrett nicht wieder. Legendär ist sein Erscheinen am 5. Juni 1975 in den Abbey-Road-Studios – sieben Jahre nach dem Ausstieg aus der Band. Pink Floyd hatte die mühsamen Aufnahmen für „Wish you were here“ aus dem Vorjahr wieder aufgenommen. In einer Pause sahen die Bandmitglieder einen großen, dicken, glatzköpfigen und geheimnisvoll herumschlendernden Kerl und erkannten ihn zunächst gar nicht, bis einer von ihnen sagte: „Leute, das ist ja Syd.“ Doch Syd verschwand wieder, offenbar ohne ein einziges Wort gesagt zu haben. Nur an seinem Blick sollen sie ihn erkannt haben.

Von allen Stücken von Pink Floyd stammen dreizehn allein von Barrett. Dass er überhaupt so lange konstant an einer Sache bleiben konnte, hat Freunde von ihm überrascht. Es entsprach nicht seiner ständigen Unruhe und Sprunghaftigkeit. Vielleicht war der Drogenkonsum ein Versuch von Selbstmedikation, vor den Psychopharmaka.

Wäre Barrett nicht drei Jahre lang bei Pink Floyd gewesen, würde ihn heute wahrscheinlich kein Mensch kennen. Drei Jahre und dreizehn Songs haben gereicht, ihm seinen Ruhm und sein Auskommen zu sichern. Nach dem Ende seiner Musikkarriere zog er zu seiner Mutter zurück und lebte fortan zusammen mit ihr im Haus der Familie im Süden von Cambridge, bis sie 1991 starb. Er blieb im Haus, lebte ein zurückgezogenes Leben und malte im Garten – erste Ausstellungen hat es inzwischen gegeben. Er war nicht mehr ausgefallen gekleidet und inszenierte sich auch nicht mehr vor anderen. Für einen Künstler hat er sich gleichwohl zeitlebens gehalten.

Journalisten fotografierten ihn gelegentlich heimlich oder überfallartig in seiner eher schlampigen Bekleidung oder im Feinrippunterhemd an der Haustür, um damit belegen zu können, was für ein armseliger, abgerissener, bemitleidenswerter Mensch er doch geworden sei – er, das frühere Genie.

Barrett hat keine Autobiografie oder Erinnerungen an seine Zeit mit Pink Floyd hinterlassen. Wie es ihm wirklich ging, wird ein Rätsel bleiben. Als er vor 15 Jahren starb, hinterließ er 1,2 Millionen Pfund. Finanziell gefehlt hat es ihm also an nichts. Ob ihm das reichte? Warum nicht? Uwe Britten

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